Büroeröffnung in Ruggell

Wolfgamg Bopp, Lindau im Juli 2003

Büroeröffnung in Ruggell

Redner, die anlässlich einer Ausstellungseröffnung sprechen, haben aus meiner Sicht die Aufgabe, Ihnen, dem Publikum die Künstlerin und Ihr Werk näher zu bringen. Das geschieht, indem man den Künstler und seine Biografie in Auszügen vorstellt und diese in einen Zusammenhang mit seiner bildnerischen Entwicklung und Ausprägungen in seiner Arbeit stellt. Diesen Zusammenhang darzustellen, ist mehr oder weniger leicht, im Falle von Beatrice Staub aber, wie ich gleich versuchen werde zu beweisen, von verblüffender Klarheit. 

 

Joseph Beuys hat einmal in einem seiner vielen Statements, die bald zum unverzichtbaren Teil seiner künstlerischen Position wurden gesagt: ''Wer meine Sachen sieht, dem trete ich schon in Erscheinung''. Bei Beatrice Staub verhält es sich meiner Wahrnehmung nach Analog.

 

Wir haben vor dem heutigen Tag nur einmal kurz miteinander gesprochen, und Frau Staub hat mir Ihren künstlerischen Lebenslauf zur Verfügung gestellt, nachdem ich selbstverständlich auch Gelegenheit hatte, die Arbeiten zu sehen, die Ihnen heute hier präsentiert werden.

 

Ich werde mit einem kurzen Einblick in die Biografie beginnen und Sie werden sehen, wie uns diese schon bald Hinweise auf den Charakter des Werkes geben wird.

 

Beatrice Staub setzt in Ihrem Lebenslauf als entscheidendes Datum das Jahr 1990 als, nach einer vorangegangenen Tätigkeit als Lehrerin sich entschliesst, in die künstlerische Laufbahn einzutreten.

 

Allles beginnt mit dem Besuch der renommierten Sommerakademie für bildende Kurst in Salzburg und dies sollte sich mit nur wenigen Unterbrechungen bis zum Jahr 2002 fortsetzen.

 

Erstaunlich ist die Vielschichtigkeit der besuchten Lehrveranstaltungen. Fast alle Disziplinen der künstlerischen Ausbildung, wie Malerei, Bildhauerei, Arbeiten mit Papier bis hin zur Fotografie werden in die Ausbildung integriert und so entsteht ein komplexes Fertigkeitsrepertoire, das sich schon bald in den Arbeiten widerspiegeln soll. Ein erster Auftrag erfolgt schon 1993, bald danach Gruppen- und Einzelausstellungen in der Schweiz und in Deutschland und nun die Ausstellung hier in Rugell.

 

Um das Werk eines Künstlers einzuordnen, bedient sich die Wissenschaft traditionell verschiedener Kategorien, die oft mehr oder weniger sinnvoll sind. Die Position des Künstlers, wie wir sie heute kennen, hat bekanntlich in der Romantik des 19. Jh. Ihre Wurzeln und konnte sich von da an bis zur heute bekannten autonomen Künstlerpersönlichkeit entwickeln. Die Beurteilung der Werke erfolgte lange Zeit vor dem Hintergrund der Naturabbildung als vornehmste Aufgabe des Künstlers und die Einschätzung der Werke erfolgte nach deren Qualität. Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass sich die Situation der zu Beginn des 20. JH. erfolgten Aufgabe des Gegenstandes grundlegend änderte. Begriffe wie Abstrakt und Gegenstandslos fanden in den Kanon der Kategorien Eingang. Gerade diese beiden Begriffe sind unzählige Male der Verwechslung anheim gefallen, indem man glaubte, sie meinen ungefähr dasselbe obwohl nichts weniger der Fall ist. Ich habe diese beiden Begriffe ausgewählt um anhand der Arbeiten von Beatrice Staub zu zeigen, wie schnell solche starren Kategorisierungsversuche scheitern können.

 

Abstraktion hat immer den Gegenstand zur Voraussetzung. Er behält seine Zentrale Position. Der Prozess geht bis zu seinem Abschluss von diesem Gegenstand aus. Gegenstandslose Kunst verzichtet bewusst auf diesen.

 

Beides trifft auf die Arbeiten von Beatrice Staub, wie ich annehme, nicht zu, obwohl wir angesichts des Werkes geneigt sein können fallweise beides zu unterstellen.

 

Im Vordergrund steht nicht der Gegenstand, sondern das Material und der Umgang mit ihm. Der Materialbegriff beschränkt sich dabei nicht auf das rein Stoffliche sondern auch auf das Imaginäre, das dem jeweiligen Werk zugeführt wird und von dort aus auf den Betrachter ausstrahlt. Beatrice Staub bekennt sich durchaus dazu, in Ihren Arbeiten Eindrücke und Anregungen zu verarbeiten die sie aus Ihrer Umwelt, aus der Natur bezieht. Es wird jedoch auf den ersten Blick klar, dass es ihr keineswegs um deren Wiedergabe, um die einfache Abbildung geht. Gegenstände, die uns im Bild begegnen sind nicht Gegenstand der Abbildung sondern ebenfalls Material. Bekannte Formen und Muster sind nicht Ornament sondern dienen der Gesamtform in untergeordneter Funktion und wirken mit anderen Elementen als Einheit.

 

Ähnlich ist es wenn Figuren im Bild erscheinen. Die jeweiligen Personen werden nicht explizit dargestellt, sondern auch Sie dienen als Material, das durch die Verarbeitung durch die Künstlerin in Kontext gesetzt und so zur Aussage wird.

 

Auch die Farbauswahl ist der Natur entlehnt, aber es handelt sich hierbei nicht um eine selbst auferlegte Einschränkung sondern um eine Eröffnung von Möglichkeiten, die Beatrice Staub in scheinbar grenzenlosen Variationen nutzt. Als Beispiel sei der Umgang mit Weiss gewählt. In der Einfachheit dieser Farbe scheint Ihre Begrenzung zu liegen. Das genau das Gegenteil der Fall sein kann sehen wir heute. Weiss wirkt schon in den Bildern von Beatrice Staub in unterschiedlichster Intensität, vor Allem aber in vielfältiger Funktion. Es verdeckt, es entdeckt lässt Verdecktes geheimnisvoll erscheinen und akzentuiert in unterschiedlichster Weise. Es begleitet und verdeutlicht einen Prozess der Arbeit, die uns in vielen Bildern offenbar wird.

 

Hier gelange ich zu dem Punkt an dem ich mich durch die Betrachtung des Bildes zur Biographie der Künstlerin zurückgeführt sehe: Beatrice Staub hat sich während Ihrer Ausbildung nicht früh auf eine Richtung festgelegt. Vielmehr hat Sie sich ein reichhaltiges Repertoire an künstlerischen Techniken angeeignet, was nun in ihren Arbeiten zum Ausdruck kommt. Auch diese Fertigkeiten, die Kenntnisse und Erkenntnisse werden zum Material und finden in Ihren Werken Verarbeitung.

 

Die Jüngste Hinwendung zur Fotografie bestätigt alles bisher Gesagte: In das technische Medium des Fotos findet die malerische Gestaltung ebenso Eingang, wie der zeichnerische Entwurf. Gegenstand und Figur fungieren als gestalterisches Element und werden Ausdruck einer Idee von etwas unter- oder besser beigeordnet, das am Ende dem Betrachter die Chance eröffnet, mehr zu sein als das und zum Beobachter zum Ahnenden, und schliesslich zum Erlebenden zu werden.

 

Wenn ich eingangs von dem problematischen Anspruch gesprochen habe, Kunst nach traditionellen Kategorien qualitativ zu beurteilen, so wollte ich ein Problem ansprechen, mit dem Künstler heute immer wieder konfrontiert werden: Hat sich die Anspruch, Inhalt und Form der bildenden Kunst immer wieder gewandelt, so sind damit auch die Zugänge komplizierter geworden. Hierdurch kommt es häufig zu Pauschalurteilen, die weder dem Künstler noch seiner Arbeit in irgendeiner Form gerecht werden. Ich will Sie schon aus Zeit Gründen nicht allzu intensiv mit dieser Frage konfrontieren, mir aber erlauben, Ihnen ein Zitat vorzutragen, dass in Diskussionen um das omnipresente Thema was Kurst ist und was nicht, in seiner scheinbaren Schlichtheit sehr überzeugend ist. Es stammt aus dem Buch des Galeristen H.J. Müller mit dem provokanten Titel: ''Kunst kommt nicht von können'' Die Situation ist die Folgende: Müller noch relativ unbedarft im Umgang mit zeitgenössischer Kunst, befindet sich im Atelier des Bildhauers Hans-Peter Fitz und schaut diesem beim Anfertigen einiger Skizzen zu. Ich zitiere:

 

Als ich dem skizzierenden Bildhauer über die Schulter blickte, entfuhr denn auch mir jener Satz, den ich selbst im Lauf der nächsten fünfzehn Jahre noch tausendmal zu hören bekommen sollte: ''Das kann ich auch.'' Die Skulptur, die ich Tage zuvor beargwöhnt hatte, zeugte ja noch von Handfertigkeit. Dagegen empfand ich die nervösen Bleistiftstriche, die Hans-Peter Fitz scheinbar gedankenverloren kritzelte als puren Dillentantismus. Ich sollte Glück haben: Statt sich mit einer theoriegschwängerten Erklärung zu verteidigen, erhob sich Fitz wortlos, heftete eines seiner noch unbearbeiteten Skizzenblätter an die Wand, gab mir eine Stück Kohlestift und forderte mich auf, die Beweisführung für meine kühne Behauptung anzutreten. Als ich mich mit Kohle und Papier abzumühen begann, folgte der mürrische Zusatz: ''Aber keine Kopie von irgendetwas, das Sie kennen!''

 

Jene Minuten des Suchens und nicht Findens, jenes ungläubige Erstaunen, als schliesslich nur eine klägliche Mischung aus Leger und Klee herauskam sind mir heute noch gegenwärtig. Dies war die beste Methode, einen vorlauten Kunstbanausen auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen.

 

Eines hatte ich sofort begriffen, Kunstmachen muß etwas mit Erfindung zu tun haben.

 

Es kommt nicht von Ungefähr, dass mir dieses Zitat zum heutigen Anlass wieder eingefallen ist. Beim Betrachten der Arbeiten von Beatrice Staub habe ich schnell eine Ahnung davon bekommen, das jedes Objekt genau das ist: Ein Erfindung, Eine Idee, die in der Auseinandersetzung während der Bearbeitung sichtbar Gestalt erhält, sich im Prozess verändert, weiterentwickelt wird und uns zum Schluss Gelegenheit gibt uns an dieser Entwicklung gedanklich zu beteiligen. Das ist das Angebot, dass die Kunst uns zu machen hat, und das die Künstlerin für uns bereithält. Es liegt an uns dieses Angebot anzunehmen und damit umzugehen. Gerade die Objekte und Bilder von Beatrice Staub laden hierzu in besonderer Weise ein.

 

Wohl wissend, dass gerade zeitgenössische Kunst Erläuterungs-, oft auch Erklärungsbedarf entstehen lässt, möchte ich trotzdem der Worte nicht zu viele machen. Ich würde mir wünschen, dass viele von Ihnen die Exponate schon vor dieser Rede gesehen haben. Ich meine es durchaus symbolisch wenn ich sage: Der Text der Erläuterung sollte meiner Ansicht nach neben dem Bild stehen, niemals aber davor, wo er dem Blick im Weg steht. In diesem Sinne möchte ich Sie einladen, das zu sehen, von dem ich eben mit meinen im Vergleich bescheidenen Ausdrucksmitteln gesprochen habe. Und wenn es weiteren Diskussionsbedarf, so haben wir das Glück, dass die Künstlerin heute anwesend ist. Ich denke sie wird gerne bereit sein, Ihre Sicht durch die eigene zu ergänzen, und Ihre Fragen zu beantworten.